Mittwoch, 28. Mai 2008

Positive Bestärkung vs. aversive Methoden

Ich möchte heute die Diskussion aus dem Gästebuch des Nürnberger Tierheims hier wieder aufnehmen. Die Grundfrage im Gästebuch ist: Was geht besser, schneller und effektiver - aversive Methoden oder positive Bestärkung?

Aversive Methoden ist alles, was mit Strafe und Gewalt zu tun hat. So ist die Arbeit mit der Wurfkette eine Strafe. Der Mensch hat z.B. ein Kettenhalsband. Wenn der Hund ein Verhalten zeigt, welches er nicht zeigen soll, dann wird diese Kette nach dem Hund geworfen. Je nach Hundetyp reicht es, die Wurfkette einfach zu schütteln. Genauso funktioniert das Prinzip der Rütteldose. Ich selbst habe es leider auch schon erlebt - es gibt Hundetrainer, die bewerfen sogar den Hund mit der Rütteldose / Wurfkette. Dies hat natürlich neben den psychischen Auswirkungen auch Physische ...
Lerntheoretisch kann man bei der Erziehung natürlich mit aversiven Methoden arbeiten, dies aber nur unter folgenden Bedingungen:
1. Das Verhalten tritt zum ersten Mal auf.
2. Die Strafe muss so heftig sein, dass der Hund das Verhalten nicht noch einmal zeigt. Das bedeutet, dass man seinen Hund sehr genau kennen muss: Bei ängstlichen Hunden reicht teilweise ein lauter Schrei, bei selbstbewussten Hunden müsste man auf den Hund einprügeln ...
3. Es dürfen keine anderen Umweltreize vorhanden sein.
4. Der Strafreiz muss zeitgleich zur Handlung des Hundes kommen.
5. Das Fehlverhalten des Hundes muss bei jedem Auftreten gestraft werden.

Erst, wenn alle Punkte zutreffen, kann man Strafe anwenden. Nebenwirkungen gibt es sehr viele: Neben Angst sowie Aggression des Hundes, wird der Hundebesitzer für den Vierbeiner unberechenbar, das Vertrauen zwischen Hund und Mensch zerbricht. Außerdem kann man sich mit Strafe mehr Probleme schaffen als zuvor. Das Verhalten des Hundes ist nicht ausgelöscht, es wird lediglich unterdrückt. Die Emotionen, die hinter jedem Verhalten stecken, bestehen weiterhin. So kann es passieren, dass irgendwas das Faß zum Überschäumen bringt und der Hund um einiges heftiger reagiert, als man selbst erwartet. Außerdem kann Strafe auch mit Reizen (z.B. vorbeilaufende Kinder) verknüpft werden, die so gar nicht beabsichtigt waren. Ein Beispiel: Ein Hund pöbelt an der Leine fremde Hunde an. Immer, wenn dieser Hund das Fehlverhalten zeigt, wirft der Besitzer die Wurfkette nach seinem Hund. Ab und an sind Kinder in der Nähe. Der Hund zeigt nach einiger Zeit auch Aggression gegenüber Kindern ... warum? Weil wir als Menschen nicht in den Kopf des Hundes schauen können! Der Hund hat den Schmerz- bzw. Schreckimpuls der Wurfkette mit den Kindern verknüpft. Mit dem Clicker wäre dies nicht passiert ...

Nun zur positiven Verstärkung: Ich arbeite mit Clicker, Markerwort und -signal. So habe ich verschiedene Möglichkeiten meinem Hund zu sagen "Das hast du gut gemacht" Den Clicker benutze ich hauptsächlich beim Shaping (Tricktraining) sowie ein Übungseinheiten. Manchmal habe ich ihn auch auf meinem Gassigang dabei, meist vergesse ich ihn aber Zuhause. Daher habe ich zusätzlich mein Markerwort "Click" und mein Markersignal den Zungenclick. So bin ich nicht auf meinen Clicker angewiesen. Das Prinzip ist im Grunde sehr einfach: Der Hund lernt: Click = Leckerlie bzw. eine andere Belohnung wie Spiel, Schnüffeln, Laufen, ... es gibt sehr viele Möglichkeiten den Hund zu belohnen, auch Futter kann man in sehr vielen verschiedenen Variaten einsetzen. Das würde aber jetzt den Blog sprengen ;)
Nachdem der Hund diese Verknüpfung (klassische Konditionierung) gemacht hat, kann man den Clicker in allen Lebenslagen einsetzen. Auch bei Problemverhalten kann man mit dem Clicker sehr viel erreichen. Nehmen wir den Leinenpöbler aus dem obrigen Beispiel. Wie fängt man an? Am Anfang bekommt mein Hund für jeden Blick zu einem fremden Hund C+B (Click + Belohnung), denn Hundi ist ruhig und schaut zum Hund. Damit möchte ich die Emotion und Erwartungshaltung des Hundes ändern. Der Hund soll lernen: Es erscheint ein Hund und ich bekomme ein Leckerlie. Gleichzeitig sollte man die Hunde benennen, es bietet sich das Kommando "Hund" an. Das Signal wird einfach zwischengeschoben: Der Hund sieht einen Hund - ich sage "Hund" - danach C+B. So kann der Hund nach einiger Übungszeit auf das Signal "Hund" die Umgebung nach Hunden absuchen. Neben der klassischen Konditionierung arbeitet man parallel an Alternativverhalten: Neben der Umorientierung auf Signal lernt der Hund freundliches Verhalten wie Bogen laufen.
Auch beim Aufbau des Grundgehorsams ist der Clicker ein Hilfsmittel, auf das ich nicht verzichten möchte. Es gibt einfach sehr viele Vorteile:

1. Der Clicker ist sekundengenau.
2. Den Clicker kann man auch auf Entfernung einsetzen
3. Das Clickgeräusch kommt in unserer Umwelt nicht oft vor, jeder Clicker klingt durch Material und Handhabung anders. Die Hunde haben kein Problem, wenn 4 Mensch-Hund-Teams gleichzeitig mit Clicker arbeiten - sie können es unterscheiden.
4. Arbeitet man mit Clicker / Markersignal so achtet man mehr auf die Dinge, die der Hund richtig macht - man verändert seine Sichtweise!
5. Wenn man ausversehen mal falsch clickt, ist das nicht so schlimm, denn der Clicker ist positiv.
6. Beim Clicker gibt es zwei Belohnungsmomente: Der Click sowie die nachfolgende Belohnung. So lernt der Hund effektiver und mit doppelter Freude!

Natürlich heißt die Arbeit mit dem Clicker nicht, dass man inkonsequent mit seinem Hund umgeht - das stimmt nicht. Konsequent ist auch ein Clickermensch, aber meist hat der Hund mehr Freiheiten, denn die Sichtweise ist etwas anders. Mein Hund darf ins Bett und mit auf die Coach. Ich bringe dem Hund allerdings ein Kommando "Runter" bei, so lernt der Hund auch, dass er manchmal einfach runtergehen soll.

Das soll es erst einmal gewesen sein ... habt ihr Fragen oder Anregungen? Soll ich ein Thema noch genauer erklären?

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Huhu!
Ein wirklich schöner, strukturierter und wissenswerter Beitrag!
Gedanken und Wissen, mit dem sich mehr Hundehalter und v.a. sog. Trainer auseinandersetzen sollten!
LG!

Anonym hat gesagt…

Hallo Anne,

nochmals vielen Dank für deine Beteiligung bei der Diskussion. Und vorallem für diesen wunderbaren Eintrag.

Ebenso wie auch die anderen Infos bietest du neben deinem Blog eine wirklich gelungene Wissensplattform.

Viel Spaß wünsche ich dir noch und vielleicht sehen wir uns ja Samstag oder so mal wieder. ;)

Lg Julia

Anonym hat gesagt…

Hi Anne,
das hast du echt toll geschrieben und ich würde mir wünschen, dass mehr Hundeleute diesen Text lesen würden. Mir bzw. Emmy hat der Clicker z.B. sehr geholfen. Und es stimmt, man bekommt eine ganz andere Sichtweise im Umgang mit dem Hund! :)
Liebe Grüße
Sandy

Anonym hat gesagt…

Hallo Anne!
Ein wirklicher guter Artikel!
Du weißt ja, dass auch meine Ansichten sich diesbezüglich gewaltig geändert haben und auch ich habe endlich gelernt das Positive an meinem Hund zu sehen (und zu bestärken) und nicht immer nur darauf zu achten, was er falsch macht.
Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg - auf das noch viele Menschen lernen, dass es einen Weg gibt, der für Hund und Halter angenehm ist.

Liebe Grüße, Sindy

Anonym hat gesagt…

Positive Verstärkung oder aversive Methoden? Oder doch lieber "Hündisch"?

Wir hatten kürzlich "Schnupperstunde" in einer Hundeschule, die nach dem Clickerprinzip arbeitet. Jegliches Fehlverhalten wurde rigoros ignoriert, jedes richtige Verhalten geclickert.
Leider waren in dieser Hundeschule sehr viele Hunde sozial unverträglich, was dazu geführt hat, daß viele dieser Hunde keinen ausreichenden Sozialkontakt zu Artgenossen haben konnten, da Fehlverhalten einfach nicht bestraft wurde.

Wir sind mittlerweile bei einer Hundeschule, bei der sozial unverträgliche Hunde gerade durch den Kontakt mit sozial starken und sogenannten "souveränen " Hunden wieder resozialisiert werden - und das passiert im Hunderudel nicht nach dem "Fehlverhalten ignorieren - Richtiges Verhalten belohnen"-Prinzip. Da wird jedes Fehlverhalten von den souveränen Hunden sofort im Keim erstickt, jedes richtige Verhalten ignoriert. Funktioniert prima.

Inzwischen waren wir als sehr interessierte Hundehalter auch auf diversen Seminaren verschiedener Hundeschulen und bekannter Hundetrainer, und ich muß sagen, das nach dem "Hündisch" aufgebaute Pronzip funktioniert bestens, im Gegensatz zum Clicker- und Markerwort. Auf einem der Praxis-Seminare waren zwei Teilnehmer, deren Hunde dauernd bellten, und in jeder Bellpause wurde eifrig geclickert. Sowohl das andauernde Bellen als auch das permanente Clickern führten schlußendlich zum Ausschluß der beiden Teilnehmer, da die endlose Geräuschkulisse alle anderen Hunde völlig verückt machte.

Ich persönlich stehe eher dazu, dem Hund jedes Fehlverhalten genauso kurz und schmerzlos zu unterbinden, wie positives Verhalten durch Lob zu bestärken. Genauso, wie es unsere inzwischen 10 Jahre alte Hündin mit unserem Jungspund macht.

"Hündisch" eben...

Unknown hat gesagt…

Hallo,

da ich ein Mensch bin, spreche ich kein "Hündisch". Natürlich kann ich einige Signale übernehmen und anwenden (Beschwichtigungssignale), aber ich werde nie so präzise und genau wie ein Hund strafen können - daher lasse ich es.

Sozialunverträgliche Hunde werden vielleicht mehr mit dem Clicker gearbeitet, weil alles andere an ihnen gescheitert ist? Wäre zumindest eine Überlegung wert :)

Ich ignoriere kein selbstbelohnendes Verhalten, das funktioniert gar nicht, denn das Verhalten selbst ist die Belohnung für den Hund. Ich kann dem Hund aber eine Alternative zu seinem Verhalten bieten und es auf eine sanfte Art und Weise stoppen.

Ich würde einen Hund schon aus Selbstschutz nie angreifen oder bedrohen, denn Hunde haben Zähne und können diese einsetzen. Ich sehe es an meinen Hundekunden, wie viel der Clicker bewirkt, wenn man richtig mit ihm arbeitet und dem Hund zeigt, was er tun soll. Dabei steht außer Frage, dass die Belohnung nicht nur Futter ist, sondern vielfältiger Art - je nach Hund ganz individuell.

Auf ein Seminar, wo zwei Teilnehmer ausgeschlossen werden, würde ich nicht gehen, denn das finde ich persönlich diskriminierend. Wem der Clicker zu laut ist, der benutzt ein Markerwort oder stellt sich für ein paar Minuten an eine Hauptstraße - Laut ist Definitionssache.

Lasse mich gerne auf weitere Diskussionen ein, dafür ist mein Blog da. Ich bitte nur darum, sachlich zu bleiben.